Nachdem ich das letzte Posting über das innere Kind veröffentlicht hatte, fand ich synchronistisch ständig Bücher und Texte darüber, wie wichtig es ist, freundlich zu sich selbst zu sein. Zum Beispiel fiel mir wieder ein Buch von Pema Chödrön, einer westlichen buddhistischen Lehrerin, in die Hände mit dem Titel Liebende Zuwendung – Freude im Herzen. Na, wenn das nicht super paßt! Sie schreibt darin, wie wichtig es ist, sich selbst kennenzulernen und Freundschaft mit sich zu schließen – sich einfach immer so anzunehmen, wie man eben gerade ist. Dieselbe Botschaft begegnete mir dann auch noch in anderen Büchern. 😉
Gestern abend (Ostersamstag) habe ich dann eine Art Seelenrückholung gemacht, bei der ich ein inneres Kind kennenlernte, von dem ich noch gar nichts wußte. Das kam ganz unverhofft.
Der Professor im Koma
Es fing damit an, daß ich jemanden aus meinem letzten Traum sprechen wollte. Der entpuppte sich (wieder mal) als eine Art Raumschiff-Koordinator und erzählte mir, daß ich (d.h. mein „eigentliches“ Selbst) schon seit einer Weile auf einem ihrer Schiffe sei und dort bestimmte Arbeiten machen würde. Als ich fragte, was für Arbeiten das denn seien, meinte er, das zu erklären würde zu lange dauern, es wäre einfacher, wenn ich mich einfach erinnern würde. Ein bißchen, wie wenn der gute Mathematikprofessor nach einem schweren Unfall ins Koma gefallen wäre und sich jetzt an nichts mehr erinnere – seinen Namen nicht mehr wüßte, seine Freunde und Familie nicht mehr erkenne und sein ganzes mathematisches Wissen total vergessen hätte. Wenn man ihm jetzt alles, was er früher einmal wußte, wieder versuchen würde, von Anfang an beizubringen, würde das viel länger dauern, als wenn man ihm einfach das Gedächtnis wiedergeben könnte.
„Naja“, sagte ich, „habt ihr denn nicht irgendwelche Schamanen, die sich damit auskennen, wenn Leute ins Koma fallen? Könnt ihr ihn nicht wieder ins Bewußtsein zurückholen?“
„Ja“, meinte er, „klar haben wir Schamanen. Aber unsere besten Schamanen sind ratlos, es ist ein sehr schwerer Fall von Amnesie. 😉 Sie sagen, da ist ein sehr verwirrtes Wesen, das ziellos durch die Gegend irrt.“
„Na, dann ist es doch einfach“, sagte ich. „Bei einem verwirrten Wesen kann man einfach sagen: ‚Komm mit mir mit, ich kenne mich hier aus, ich weiß, wo es langgeht.’“
„Und wenn das verwirrte Wesen dann wild um sich blickt und schreit. ‚Nein! Nein! Nein! Ich gehe nirgends hin!’ – was machst du dann?“
„Hm“, meinte ich, „dann würde ich vielleicht erstmal versuchen rauszufinden, wovor es solche Angst hat.“
Das wüste Land
Tja, und dann war ich auf einmal da, auf einer komplett „flachen“ Ebene … damit meine ich, es war nichts da, ringsumher war alles weiß, wie wenn man in einem endlos sich erstreckenden Raum wäre, wo nur eine Art weiße Kunststofffläche ist und sonst nichts. Und da war tatsächlich so ein verwirrtes Wesen vor mir. Ich konnte es zuerst nicht richtig sehen, nur spüren.
Ich spürte dann ganz behutsam in seinem Geist nach Anhaltspunkten dafür, wovor es solche Angst hatte, und sah eine völlig zerstörte Landschaft vor mir. Diese Landschaft bestand praktisch nur aus Schutt und Asche und etwas Glut. Überall verkohltes schwarzes Geröll und schwarze Asche. Das einzige Licht war eine rötlich schwelende Glut, sonst war wirklich alles total schwarz.
– Oh, sagte ich, das verstehe ich. Wenn du von dort gekommen bist, dorthin würde ich auch nicht gehen wollen. Aber es gibt noch andere Orte. Da wo ich wohne, ist es nicht so wie dort.
Allmählich konnte ich die Gestalt besser erkennen. Es war ein etwa 6-7jähriges Mädchen mit wuschligen hellbraunen Haaren. Ich mußte ihre Antworten am Anfang durch mein Bewußtsein gewissermaßen übersetzen, weil zuerst nur Fetzen von Eindrücken zurückkamen.
Als erstes wollte sie wissen, ob es da bewohnt sei, wo ich herkomme.
„Ja“, sagte ich, „sehr bewohnt.“ 😉
Dann stellte sich heraus, daß sie sich an diesem unbewohnten Ort sicher fühlte, denn „wo keiner ist, da kann auch nichts Schlimmes passieren“, meinte sie.
„Oh“, sagte ich, „das haben Menschen gemacht?“
„Ja“, sagte sie, „Menschen.“
Ich hatte nämlich zuerst angenommen, es sei ein Meteoreinschlag oder Vulkanausbruch gewesen. Aber sie erzählte mir, daß es die Wissenschaftler ihrer Kultur waren. Sie waren etwas am Bauen gewesen, was gut hätte werden können, wenn es funktioniert hätte, aber leider war es ihnen dann komplett um die Ohren geflogen. Es hatte große Explosionen gegeben, und darüber hinaus hatten scheinbar die chemischen Substanzen, mit denen diese Wissenschaftler experimentiert hatten, die ganze Umwelt dort vergiftet und komplett unbewohnbar gemacht.
„Die waren so begeistert von dem wissenschaftlichen Fortschritt, daß sie nicht so drauf geachtet haben, daß das auch gefährlich sein kann“, meinte sie.
Geschichten aus der Geschichte
„Ja, solche Wissenschaftler gibt es bei uns auch“, erzählte ich ihr. „Die bauen z.B. Atomkraftwerke.“
„Atomkraftwerke? Was ist das?“
Darauf erzählte ich ihr erstmal, was ein AKW ist, was es schon für Unfälle gegeben hatte und welche Folgen das gehabt hatte.
„Wie kann man so dumm sein, das zu bauen, wenn das Risiko bekannt ist?“ fragte sie.
„Naja“, meinte ich, „am Anfang war das Risiko wohl noch nicht wirklich bekannt. Die Menschen haben geglaubt, das sei ‚saubere’ Energie. Denn der Braunkohlestaub war ja auch nicht gerade umweltfreundlich, und die Leute, die die Braunkohle abbauen mußten, hatten kein besonders angenehmes Leben, und es gab auch immer die Gefahr, daß sie in den Schächten verschüttet werden. Auch Öl konnte knapp werden, und es hatte damit schon verschiedene Unfälle gegeben, die zu einer Ölpest führten. Als dann die Atomkraft kam, dachten alle, das sei viel besser. Erst als es Unfälle gegeben hatte, begann man die Gefahren richtig zu verstehen. Jetzt nach dem letzten großen Unfall haben wir beschlossen, die Atomkraftwerke abzuschaffen.“
„Das ist sehr vernünftig“, meinte sie.
Sie fand es gut, daß ich ihr die Wahrheit sagte und nicht irgendwelche blühenden Geschichten darüber erzählte, wie toll es bei uns sei, nur damit sie mitkäme. Sie löcherte mich mit Fragen darüber, was es in unserer Welt an Gefahren gäbe. Vor allem Kriege. Ich meinte, in unserem Land sei der letzte große Krieg schon fast 70 Jahre her. Aber auch nach diesem Krieg sei alles nicht so schlimm gewesen wie in ihrer Welt. Es seien Häuser stehengeblieben, und es hätten auch viele Menschen in Bunkern überlebt. Die letzte kriegerische Handlung direkt in unserem Land (die Niederschlagung der Proteste des 17. Juni) sei schon fast genau 60 Jahre her.
Nach und nach erzählte ich ihr dann die ganze Geschichte vom 2. Weltkrieg, von der deutschen Teilung, vom Fall der Mauer und dem Ende der DDR („Wieso war dieses Land dann auf einmal weg?“ wollte sie wissen. Ich mußte ihr erst erklären, daß nicht das Land als solches zerstört wurde, sondern nur die Regierung und die Grenze nicht mehr da waren.)
Das darf nie wieder passieren
Sie stellte super intelligente und scharfsinnige Fragen, aber alles war darauf ausgerichtet, herauszufinden, wie sicher unsere Welt wohl sei und ob sie das Risiko eingehen wollte, dort hinzugehen, oder lieber bleiben wollte, wo sie war. Es war zwar ein Niemandsland, aber es war dort wenigstens sicher.
„Naja“, meinte ich, „wenn du jedes Risiko ausschalten willst, kannst du dich auch gleich begraben lassen. Auch wenn bei uns jetzt Frieden ist, du kannst trotzdem unter ein Auto kommen, dann bist du auch tot.“
„Was sind Autos?“ wollte sie wissen.
„Fahrzeuge.“ – Was Fahrzeuge sind, wußte sie.
„Ja, aber wenn ein Mensch unter ein Fahrzeug kommt, kann er erstens überleben, und zweitens ist dann nicht die ganze Umgebung verseucht“. meinte sie.
„Ja, das stimmt natürlich auch“, sagte ich. „Wie bist du denn eigentlich dort weggekommen?“
„Ich bin gerannt und gerannt und gerannt und gerannt“, sagte sie, „bis ich nicht mehr konnte. Dann bin ich noch eine Weile gestolpert. Und dann war ich hier.“
„Na, da bist du ja eine ganze Ecke weit gekommen“, meinte ich. „Hier ist nichts davon zu sehen.“
„Ja, das ist auch gut so“, meinte sie. „Also bei euch ist jetzt kein Krieg?“
„Bei uns nicht. In anderen Ländern schon.“
„Wie weit sind diese anderen Länder denn weg?“
Ich mußte so lachen! Sie verwendete wirklich ihren ganzen Scharfsinn darauf, mögliche Gefahren zu sondieren.
„Weit genug, daß dir nichts passieren kann, wenn du hier wohnst“, meinte ich. „Es sind nicht direkt die Nachbarländer, die sind schon ein bißchen weiter weg. Bei uns ist es relativ friedlich. Richtiger Friede ist natürlich noch mal was anderes. Aber wir haben keinen offenen Krieg hier, schon ewig nicht mehr gehabt.“ – Das schien sie etwas zu beruhigen.
Zwei Stunden Bedenkzeit
Wir redeten noch eine ganze Weile, und ich erklärte ihr, wie es hier so ist. Dann meinte ich, es wäre wohl besser, wenn ich eine Weile weggehe, damit sie in Ruhe überlegen könne, ob sie hierher kommen oder lieber dort bleiben will, wo sie ist. Denn solange ich auf sie einrede, hätte sie ja gar keine Ruhe, um sich darüber klarzuwerden.
Das fand sie richtig gut. „Du kommst aber wieder?“ wollte sie wissen. Ich versicherte ihr, daß ich wiederkommen würde, und fragte, wie lange sie wohl brauchen würde, um sich zu entscheiden. „Wenn ich erst in 2 Tagen wiederkomme, denkst du sonst vielleicht, ich komme gar nicht mehr. Und wenn ich zu früh wiederkomme, dann ist vielleicht die Zeit nicht lang genug.“
„Zwei Stunden“, meinte sie.
„Bist du sicher, daß dir das reicht?“ fragte ich. „Ich kann auch später kommen.“
„Nein, zwei Stunden, das reicht mir“, sagte sie sehr entschieden.
Ich wollte schon gehen, da hörte ich: „Tschüß …“ und mußte wieder lachen und wuschelte ihr noch mal durchs Haar.
Die Rückkehr
Nachdem die zwei Stunden vorbei waren, ging ich dann nachsehen. Erstmal fragte ich, ob die Zeit lang genug für sie war, um zu einer Entscheidung zu kommen, oder ob sie noch mehr Zeit bräuchte. „Nein, nein, das ist in Ordnung.“ Dann fragte ich, ob sie kommen wollte, oder lieber bleiben, wo sie war, und erlebte die Überraschung meines Lebens. Auf einmal spürte ich nämlich einen heftigen Energiestrom in meiner Stirn und hatte das Gefühl, daß sie das vielleicht war. Und ja, genauso war es auch. Sie war in meine Stirn eingezogen. Es fühlte sich auch sofort total anders an. Ich meinte: „Warum bist du denn in meinen Kopf eingezogen? Du kannst auch gerne in mein Herz kommen, wenn du willst.“ Aber sie meinte: „Nein, hier ist es gut. Hier bleibe ich jetzt.“
Und sie hätte darüber nachgedacht … „Du hast recht“ meinte sie, „egal wo man hingeht, kann man nicht genau wissen, ob es nicht noch mal passieren wird.“
„Naja, du hättest ja bleiben können, wo du warst.“
„Ja, aber … ach, das war so leer dort“, meinte sie.
Dann fragte ich sie, ob sie irgendeinen Wunsch hätte – Musik hören, irgendwas essen oder spielen? Sie wollte eine Geschichte erzählt bekommen.
Also erzählte ich ihr eine Geschichte, die ich vor kurzem gelesen hatte, über eine Farm, auf der es ein Zeit-Portal, einen Drachen und eine ganze Menge anderer seltsamer Wesen gab, wie Einhörner und ein geflügeltes Äffchen. „Oh, ich will auch eins!“ rief sie sofort aus. Aber natürlich wußte sie, daß ich ihr das nicht geben konnte …
Am Sonntagmorgen beim Frühstück meinte sie, sie sei total froh, daß sie gekommen sei. Es sei so schön ruhig hier. „Immer ist es nicht so ruhig“, meinte ich. „Ja, aber hier fliegen keine Häuser durch die Gegend und keine Stücke von der Erde“, meinte sie. „Auch wenn es bewohnt st, aber es ist ruhig.“ Ich fühlte mich auch total froh, daß sie gekommen war. Und irgend etwas fühlt sich jetzt anders an … ich bin gespannt, wie es jetzt mit uns weitergeht.